Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess

Welche Auswirkungen hat die unterlassene Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer im Überstundenvergütungsprozess darlegen und ggf. beweisen

  • an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat und
  • dass geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst oder ihm jedenfalls zuzurechnen sind.

Es ist dann Sache des Arbeitgebers, auf den entsprechenden Vortrag des Arbeitgebers substantiiert zu erwidern.

In einem vom LAG Niedersachsen entschiedenen Fall (Urteil vom 09.12.2024 – 4 SLa 52/24) hatte die Klägerin behauptet, mehr als 3000 Überstunden verrichtet zu haben. Obwohl gemäß Arbeitsvertrag lediglich 24 Stunden pro Woche vereinbart wurden, habe sie während der gesamten Betriebsöffnungszeiten beim Arbeitgeber (Montag bis Donnerstag von 8-18 Uhr und Freitag von 8-17 Uhr) gearbeitet, jeweils abzüglich einer Stunde Pause. Hierfür legte die Klägerin Kalendereinträge für die Jahre 2020-2022 vor. Der beklagte Arbeitgeber hat die Überstunden als „frei erfunden“ bestritten und ist hierauf nicht substantiiert eingegangen. Eine Zeiterfassung durch den Arbeitgeber fand nicht statt. Das LAG Niedersachsen sah die Überstunden der Klägerin jedoch als hinreichend dargelegt an und wertete hierbei zulasten des Arbeitgebers, dass dieser entgegen seiner Pflicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG keine Aufzeichnungen vom Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit gefertigt hatte. Es gebe keinen Grund, warum es dem Arbeitgeber im Hinblick auf eine ohnehin bestehende Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung nicht zumutbar sein soll, seine hieraus gewonnenen Erkenntnisse dem Arbeitnehmer im Überstundenprozess auf dessen Vortrag entgegenzuhalten.

Das Urteil des LAG Niedersachsen überzeugt nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass das BAG bei Einlegung der Revision seine Rechtsprechung insoweit ändern wird. Das LAG Niedersachsen scheint hier den Arbeitgeber vielmehr dafür „bestrafen“ zu wollen, dass er die Pflicht zur Zeiterfassung nicht erfüllt hat und hat hier die o.g. Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess unzulässig aufgeweicht.

Mitgliedsunternehmen können nähere Informationen dem A-Rundschreiben zum gleichen Thema entnehmen, das im ArbeitgeberNet unter „A-Rundschreiben“ und dort unter „Aktuelles“ gespeichert ist.