LAG Berlin-Brandenburg hält tarifliche Regelung für diskriminierend.
Tarifverträge sehen häufig vor, dass Überstundenzuschläge nur dann gezahlt werden, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird. Dass solche Regelungen im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten (§ 4 Abs. 1 TzBfG) unwirksam sein können, ist von der Rechtsprechung zuletzt mehrfach angenommen worden (s. etwa BAG vom 05.12.2024 – 8 AZR 73/20).
Das LAG Berlin-Brandenburg hatte mit Urteil vom 16.05.2025 – 12 Sa 1016/24 – über eine entsprechende Regelung im Manteltarifvertrag (MTV) für die Beschäftigten im Einzelhandel im Land Brandenburg zu befinden. Dieser sieht einen Mehrarbeitszuschlag von 25 % lediglich bei Überschreitung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte von 38 Stunden vor. Die Klägerin arbeitete im Verkauf in Teilzeit. Dabei leistete sie in einem Zeitraum von sechs Monaten 62 Überstunden. Sie arbeitete jedoch in keiner Woche mehr als 38 Stunden. Ihr Arbeitgeber weigerte sich, ihr Überstundenzuschläge zu zahlen.
Das LAG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Regelung des MTV, wonach die Mehrarbeitszuschläge erst ab der 39. Wochenstunde gezahlt werden, benachteilige Teilzeitbeschäftigte. Der MTV formuliere eine einheitliche Untergrenze für Überstundenzuschläge, berücksichtige dabei aber nicht die geringere Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter. Eine solche Benachteiligung sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Auch ergebe sich keine Rechtfertigung aus den arbeitsschutzrechtlichen Begrenzungen der Arbeitszeit. Der Tarifvertrag stelle nämlich nicht auf die Überschreitung der regelmäßigen werktäglichen Arbeitszeit von acht Arbeitsstunden oder der gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden ab, sondern lediglich auf die Überschreitung der regelmäßigen tariflich festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden.
Folge der verbotswidrigen Diskriminierung sei eine Gleichstellung der Teilzeitbeschäftigten durch gerichtliche Entscheidung, wobei die Überschreitung der individuellen Wochenarbeitszeit Mehrarbeitszuschläge im Sinne einer „Anpassung nach oben” auslöse. Dem stehe auch nicht die Entscheidung des BVerfG vom 11.12.2024 – 1 BvR 1109/21 – entgegen, wonach im Falle eines Verstoßes gegen den grundgesetzlich verankerten allgemeinen Gleichheitssatz grundsätzlich eine tarifvertragliche Korrektur durch die Tarifvertragsparteien vorrangig vor einer gerichtlich festgesetzten Anpassung nach oben zu ermöglichen sei, gegebenenfalls durch die Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens. Denn vorliegend sei – aufgrund der ausdrücklichen Zulassung der Revision – gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel zulässig.