Legende des Arbeitsrechts: „Während einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers darf ein Arbeitgeber nicht kündigen“

Es ist in manchen Fällen sogar wichtig, dass der Arbeitnehmer bei Erhalt der Kündigung noch arbeitsunfähig ist.

Arbeitgeber, die gegenüber einem Arbeitnehmer eine Kündigung aussprechen möchten, haben regelmäßig ein Interesse daran, dies möglichst schnell zu tun, um Kündigungsfristen zu wahren und somit unnötige Personalkosten zu sparen. In der Personalpraxis herrscht aber oft die Auffassung, gegenüber einem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer dürfe eine solche Kündigung – noch – nicht ausgesprochen werden. Man müsse warten, bis dieser wieder gesund ist. Dies ist aber einer der zahlreichen Legenden, die es im Arbeitsrecht gibt.

Eine Kündigung ist lediglich dann aufgrund des Zeitpunkts, zu dem sie erfolgt, unwirksam, wenn sie – wie es in der Rechtsprechung formuliert wird – „zur Unzeit“ erfolgt. Sie kann dann gegen Treu und Glauben i. S. d. §§ 242 BGB verstoßen. Dies setzt jedoch neben der „Unzeit“ der Kündigung weitere Umstände voraus, etwa dass der Arbeitgeber absichtlich oder auf Grund einer Missachtung der persönlichen Belange des Arbeitnehmers einen Kündigungszeitpunkt wählt, der den Arbeitnehmer besonders beeinträchtigt. Derartige Fallgestaltungen sind allerdings äußerst selten.

Der bloße zeitliche Zusammenhang mit einer Fehlgeburt der Arbeitnehmerin ist dabei ebenso wenig als ausreichend angesehen worden (BAG v 12.6.1990 – 2 AZR 39/90) wie – zurzeit sehr aktuell – der Zugang der Kündigung am Heiligabend (BAG v. 14.11.1984 – 7 AZR 174/83). Bei einer Probezeitkündigung steht es dem Arbeitgeber frei, die Kündigung auch kurz vor Ende der Probezeit auszusprechen. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles hat das LAG Bremen (29. 10. 1985 – 4 Sa 151/85) eine Kündigung für unwirksam erklärt, die dem Arbeitnehmer nach einem schweren Arbeitsunfall am gleichen Tage im Krankenhaus unmittelbar vor einer auf dem Unfall beruhenden Operation ausgehändigt worden ist.

Eine Kündigung zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist, gehört vor diesem Hintergrund in keinem Fall zu den Fällen einer Kündigung zur Unzeit. Im Gegenteil: Bei einer personenbedingten Kündigung in Form einer krankheitsbedingten Kündigung ist es sogar von Vorteil, wenn der Arbeitnehmer sie gerade dann erhält, wenn er – noch – arbeitsunfähig ist. Eine solche krankheitsbedingte Kündigung ist keine „Bestrafung“ des Arbeitnehmers für die Arbeitsunfähigkeitszeiten in der Vergangenheit. Es muss vielmehr u.a. eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustands des zu kündigenden Arbeitnehmers gestellt werden können. Eine solche Prognose wird durch eine Arbeitsunfähigkeit, die über den Kündigungszeitpunkt hinaus andauert, gestützt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass der Arbeitgeber im Streitfall nachweisen kann, dass der erkrankte Arbeitnehmer die Kündigung auch tatsächlich erhalten hat. Er muss den so genannten Zugang beweisen. Es ist vor diesem Hintergrund dringend zu empfehlen, diese Kündigung durch einen Boten überbringen zu lassen, der zuvor den Inhalt des Schreibens gelesen hat. Dieser Bote muss dann das Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten des erkrankten Arbeitnehmers einwerfen.

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