Nur die Brille ist moderner geworden: Anke Peiniger 1985, seit zwei Jahren, und 2023, seit 40 Jahren in ihrem Amt als ehrenamtliche Richterin.
„Das ist mein kleiner Kosmos, da fühle ich mich wohl!”
Anke Peiniger blickt auf 40 Jahre als ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht Solingen zurück. Berufen ist sie bis 2028 – immer im Rhythmus von fünf Jahren. „Wenn ich mit 76 noch gesund und beruflich tätig bin, ich noch Lust habe und die mich noch haben wollen – na dann mache vielleicht ich weiter!“, sagt sie.
Als sie 1982 vom Arbeitgeberverband gefragt wurde, ob sie sich ein Ehrenamt als Richterin vorstellen könne, zögerte Anke Peiniger nicht. Sie war 30 Jahre jung, zu der Zeit bereits Personalleiterin – und sagte schlicht und ergreifend „Ja“. Seitdem dient sie durchschnittlich fünf Mal pro Jahr der Rechtsfindung und beschäftigt sich dabei unter anderem mit Kündigungen, Abmahnungen und Zahlungsklagen.
Anke-Andrea Peiniger wurde 1952 in Solingen geboren, ist verheiratet, hat zwei Töchter und zwei Enkel. Bevor sie sich 1993 mit ihrem Unternehmen Peiniger Personalberatung GmbH in Solingen selbstständig machte, arbeitete sie bereits 16 Jahre als Personalleiterin. Nebenbei ist Peiniger unter anderem als Beiratsmitglied, Vorsitzende, Sachverständige, Dozentin und Prüfungsausschussmitglied tätig. Seit 2005 ist sie auch ehrenamtliche Richterin am Sozialgericht bzw. Landessozialgericht.
Auch privat ist sie sehr aktiv: Neben Hockey, Tennis, Golf, Segeln, Judo und Tanzen, war sie viele Jahre als Vorstand in verschiedenen Vereinen tätig.
Besonders freut sich die Solingerin darüber, durch dieses Ehrenamt außerhalb des beruflichen Aktionsradius und trotzdem berufsorientiert tätig zu sein – mittlerweile hat sie einen erheblichen Fundus an Fachbereichen, Blickwinkeln und vielen Jahren praktischer Erfahrung, aus dem sie Wissen und Kraft für die Verhandlungen schöpfen kann. Denn im Gegensatz zu einem Schöffen, bei welchem Bürgerdenken und gesunder Menschenverstand gefragt sind, soll sie als ehrenamtliche Richterin Fachkenntnisse mit einbringen. Peiniger sagt über sich selbst, dass sie von ihrem Informationsanspruch (Einsicht in die Akten) und selbstständigem Fragerecht regelmäßig Gebrauch mache. Um Verfahren auch später noch nachvollziehen zu können, mache sie sich immer viele Notizen während der Verhandlungen.
Auch vor einem Arbeitsgericht kann es hoch hergehen: Peinigers interessantester Fall ist noch nicht allzu lange her. Die Substanz des Falls war nicht außergewöhnlich, es ging viel mehr um das Verhalten der Beteiligten vor Gericht. „Das war ein Kämpfen zwischen Nationalitäten und Religionen“, erinnert sie sich, das habe sie in der Form noch nie erlebt. Schlussendlich wurde der Betriebsrat des Unternehmens in weiteren Verfahren vom Arbeitsgericht aufgelöst. – auf eine pragmatische Lösung der Konflikte konnte sich nicht mehr geeinigt werden. Wäre sie Geschäftsführerin des Unternehmens gewesen, so Peiniger, hätte sie schon viel früher eingegriffen und gehandelt. Allgemein sei sie jemand, der zwar abwägt, aber bei Entscheidungen selten zögert. Ob es auch mal einen schwierigen Fall gab, bei dem sie hin- und hergerissen war? Grenzwertig ja, schwierig nein – schließlich sei es die Aufgabe eines (ehrenamtlichen) Richters, Entscheidungen zu treffen.
Dass innerhalb von 40 Jahren einige Anekdoten aufkommen, ist nicht verwunderlich. Doch eine Situation ist Anke Peiniger besonders im Gedächtnis geblieben. Es gab mal einen Gewerkschaftssekretär, das größte Schlitzohr, das sie kannte, so die 71-Jährige. „Der hätte seine eigene Großmutter verkauft, um ein Verfahren zu gewinnen!“ Und obwohl er genau wusste, dass Peiniger in einem Fall alle Beteiligten und Interna kannte, wollte er trotzdem mit ihr zusammenarbeiten. Sie sei neutral und verlässlich, die könne ruhig sitzenbleiben, sagte er dem Richter damals, als dieser die Parteien wie üblich fragte, ob Peiniger vielleicht voreingenommen für die Verhandlung sei. So ein Lob mache Sie stolzer als die 40 Jahre Ehrenamt, schmunzelt Peiniger. „Da hat man doch irgendwie alles richtig gemacht.“
Denn – fachlich wie persönlich – ist das Ehrenamt für Anke Peiniger bisher nie eine Last, sondern immer ein Gewinn.
Dr. Annegret Haves (Direktion des Arbeitsgerichts Solingen) sagt:
„Frau Peiniger ist nun seit sage und schreibe 40 Jahren an unserem Arbeitsgericht tätig. In all den Jahren bereicherte sie unsere Beratungen und Verhandlungen mit ihrer großen Lebenserfahrung und mit ihrem riesigen praktischen Erfahrungsschatz aus dem Personalbereich. Außerdem ist sie seit langen Jahren vorsitzendes Mitglied des Ausschusses der ehrenamtlichen Richter an unserem Gericht. Frau Peiniger ist bei allen Beschäftigten des Gerichts und den Richterinnen und Richtern gleichermaßen geschätzt für ihre offene und zugewandte Art sowie für ihr Fachwissen und ihre Diskussionsfreude. Die Arbeitsgerichte sind angewiesen auf engagierte Arbeitgeber- und Arbeitsnehmervertreter, die Freude daran haben, ihre praktischen Perspektiven in den Arbeitsgerichtsprozess einzubringen. Wir sind daher sehr dankbar, dass Frau Peiniger uns weiter als ehrenamtliche Kollegin erhalten bleibt.“