Das Industriehaus in Solingen

Das Solinger Tageblatt kündigte es am 8. April 1965 an: Der Arbeitgeberverband Solingen errichtet in Verbindung mit dem Fachverband Schneidwarenindustrie auf dem (mittlerweile ehemaligen) Grundstück des Vereins Lehrlingsheim an der Neuenhofer Straße in Solingen-Höhscheid ein Bürogebäude nach den Plänen von Architekt Theo Theyßen.

Das im Volksmund zunächst als „Edelstahlbaracke“ verpönte Industriehaus hat einiges zu bieten. Schiefer, ein seit Jahrhunderten schützendes und schmückendes Material eines bergischen Hauses und Edelstahl, ein in Verbindung mit dem Namen Solingen weltbekanntes Metall, sind Elemente, die das Haus kennzeichnen und einen besonderen Akzent verleihen. Das Rohmaterial aus rostfreiem Edelstahl für die untere Bekleidung der Vorder- und Rückseite stellte die Edelstahlvereinigung Düsseldorf kostenlos zur Verfügung – in einer Stadt der Oberflächenveredelung ist dies nicht ohne Symbolkraft.

Die ‚Einfachheit‘ des rechteckigen, eingeschoßigen Atriumbaus trügt: Die 900 qm große Nutzfläche ist auf einem Rastersystem aufgebaut, welches nicht nur das Wechseln von Büroräumen erheblich erleichtert und die Fläche maximal ausnutzt, sondern auch Struktur und Ordnung schafft.

Von der Vorhalle aus gehen rechts wie links die Flure zu den damals getrennt liegenden Büroräumen der beiden Verbände ab. Diese Flure bieten durch große Glaswände einerseits Einblick in den Innenhof, andererseits sind sie von den Büroräumen durch furnierte Holzwände aus kanadischem Nussbaum und dunklem Palisander, hinter denen geräumige Wandschränke liegen, getrennt. Hinter dem Innenhof, zwischen den beiden Fluren, befindet sich der erhöhte, zentral gelegene große Sitzungssaal.

Besucher, die über eine breite Freitreppe ins Innere des Industriehauses gelangen, haben durch die Glaswände sofortigen freien Blick auf den Innenhof, welcher Pflanzen, ein kleines Becken mit Springbrunnen und Sitzgelegenheiten bietet.

Alle Wege führen zum Atrium – denn die Flure bilden einen Rundgang durchs Haus

Glückliche Symbiose von Tradition und Fortschritt

Das äußerlich schlicht wirkende Atriumhaus, im Grün einer Parklandschaft unter Buchen und angrenzend an die Villa Kieserling gelegen, ist eine Synthese aus konservativer Grundhaltung und modernem Gestaltungswillen – und damit ein Symbol der Verbände.

Der damalige Vorsitzende des Solinger Arbeitgeberverbandes, Dr. W. Albert, sagte bei der Eröffnung im Juni 1966: „Mit diesem Haus haben wir ein Beispiel gesetzt. Die Verwendung von Schiefer und Stahl ist ein Zeichen für heimatliche Verbundenheit unserer Industrie, die optische Durchlässigkeit ein Symbol des weltweiten Denkens unserer Unternehmer.“

Das Industriehaus im neuen Gewand

Die großzügige Klarheit, mit der das Gebäude konzipiert wurde, die noblen Proportionen und der außerordentlich geschickte Umgang mit Materialien stehen in direktem Bezug zu den Menschen, die darin arbeiten und der Organisation, die sie vertreten. Dieses Grundkonzept soll auch nach der geplanten Sanierung beibehalten werden. Mieter ist neben dem Schneidwarenverband mittlerweile auch das Werkstattszentrum. Die VBU ist selbstverständlich nach wie vor in Solingen vertreten.

Bereits 2019 wurde die damals noch hochmoderne Öl-Heizung auf Gas-Brennwert-Technik umgestellt und das komplette Dach saniert; 2022 folgte die Sanierung der hinteren Toiletten. Zusätzlich kommen in beinahe allen Räumen mittlerweile LED-Lichter zum Einsatz.

Zum Erhalt des traditionsreichen Gebäudes sind im Jahre 2023 weitere Sanierungen geplant. Beispielsweise sollen die bisher einfachverglasten Glaswände zur optimalen Dämmung und Energieeinsparung erneuert sowie alle Fenster ausgetauscht werden. Auch die vorderen Toiletten werden auf den neuesten Stand gebracht, indem sie kernsaniert werden. Auch vor dem Industriehaus wird einiges passieren: Um allen Gästen den Zugang zu ermöglichen, ist die Installation eines Behinderten-Lifts auf der großen Treppe, die zum Eingang führt, geplant.

Dem Stil des Gebäudes und seiner Geschichte soll in jedem Falle treu geblieben werden.

Der Entwurf von Architekt Theo Theyßen.
Die Baumaßnahmen.
Das fertige Industriehaus.